Haiti-Krise erreicht neuen Höhepunkt der Eskalation
Port-au-Prince/Karlsruhe – Es sind bruchstückhafte Bilder, mit denen Richard Frechette versucht, die aktuelle Situation in Port-au-Prince zu beschreiben: „anhaltende Bandenkämpfe“, „Geflüchtete überall“, „keine Möglichkeiten, Lebensmittel zu kaufen“, „Menschen, die ohne uns verbluten würden“. Beschreibungen, die erschreckende Vorstellungen wecken. Dem Chaos, das sich gerade auf Haitis Straßen breit macht, werden sie dennoch nicht gerecht.
Über 800 Opfer allein im Januar
Jüngste Berichte der Lokalmedien lassen vermuten, dass der tobende Bandenkrieg in Haiti durch den Zustrom neuer Munition angeheizt wurde. Mit brutalen Folgen: Nach Angaben der Vereinten Nationen war der Januar 2024 mit über 800 getöteten, entführten oder verletzten Personen der tödlichste Monat seit über zwei Jahren. "Ich kann nicht genug betonen, wie ernst die Lage in Haiti ist, wo mehrere langwierige Krisen einen kritischen Punkt erreicht haben", berichtete jüngst auch die UN-Sonderbeauftragte für Haiti, Maria Isabel Salvador. Nach weiträumigen Kämpfen rund um die Hauptstadt haben sich die Bandenmitglieder nun in strategisch wichtigen Gebieten festgesetzt. Laut diversen Berichten wenden diese systematisch auch sexuelle Gewalt an – teilweise auch an Mädchen.
Proteste und Unruhen auf den Straßen
Bereits im vergangenen Jahr hat sich die Krise auf dem Inselstaat deutlich verschärft. UN-Berichten zufolge wurden 2023 mehr als 4.789 Menschen ermordet, 1.698 verletzt und 2.490 entführt. Das entspricht einer Mordrate von 40,9 pro 100.000 - mehr als doppelt so hoch wie noch 2022.
Was bisher verstreute Einzelakteure waren, hat sich mittlerweile zu Gruppen formiert. Sie ergreifen gezielt Macht von ganzen Gebieten, nehmen kritische Infrastruktur in Beschlag und üben zugleich auch immer mehr Einfluss auf Wirtschaft und Politik aus.
Die eskalierende Gewalt treibt außerdem immer mehr Bürger auf die Straßen. In etlichen Städten sieht man regierungsfeindliche Proteste und Unruhen, mit Toten und Verletzten bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizeikräften.
314.000 Menschen Ende 2023 vertrieben
Um der Bandengewalt zu entkommen, mussten Ende 2023 insgesamt 314.000 Menschen ihr Zuhause verlassen. Jüngste Meldungen der Internationalen Organisation für Migration berichten auch 2024 von 10.000 Vertriebenen innerhalb einer Woche. Einige haben die Möglichkeit, bei Bekannten Unterschlupf zu finden – andere nicht. Sie haben oft weder Zugang zu Wasser, noch zu Lebensmitteln oder sanitären Einrichtungen. Ohne Dach über dem Kopf sind ihre Lebensbedingungen prekär.
nph setzt alle Hebel in Bewegung
nph setzt gemeinsam mit dem lokalen Kooperationspartner Fondation St. Luc vor Ort alle Hebel in Bewegung, um die Hilfsbedürftigen zu unterstützen. Es werden Kontakte genutzt, Lebensmittel besorgt und zusammen mit Wasserrationen verteilt. Der anhaltend steile Anstieg der Lebensmittelpreise macht diese Aufgabe nicht einfacher.
Wohingegen das nph-Kinderdorf St. Helene durch seine Lage im Hochland in Kenscoff trotz der alarmierenden Situation einen sicheren Zufluchtsort bietet, mussten nph-Schulen in Port-au-Prince aus Sicherheit für die Schüler zeitweise geschlossen bleiben. Auch rund um das St.-Damien-Kinderkrankenhaus kam es zu Ausschreitungen. Doch St. Damien spielt eine wichtige Rolle in der Stadt, und die Patienten erhalten dort auch weiterhin medizinische Hilfe.
Kinder als Verlierer der Krise
Die jüngsten Bewohner Haitis gehören zu den am meisten gefährdeten Personen in dieser Krise: Allein im vergangenen Jahr wurden 167 Jungen und Mädchen durch Schüsse getötet oder verletzt. Bildung, Gesundheit und Schutz können kaum mehr gewährleistet werden. Über drei Millionen Kinder sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Einen ersten Schritt zur Bewältigung der eskalierten Krise hat die nph Kinderhilfe Lateinamerika bereits unternommen: Mit insgesamt 10.000 Euro Soforthilfe unterstützt sie die Ausgabe weiterer Lebensmittelpakete.
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